ZUR PERSON
Herman Baltia
König Albert I. (Erster von links) mit Generalgouverneur Baltia (Zweiter von links) in Malmedy.
Auf Hermann Baltia geht der historische Name der Pater-Damian-Schule, das »Collège Patronné« zurück, das er kraft seines Amtes hatte einrichten lassen. »Weil er keine Lehrer für eine laizistische Sekundarschule fand, gelang es ihm, einen absolut kirchenfeindlichen Unterrichtsminister zu überzeugen, die Schule durch den Bischof patronieren zu lassen, erklärt Els Herrebout. »Der Unterrichtsminister stimmte zu, denn es galt, das Gebiet – je nach Lesart, Belgien einzuverleiben, oder es in den Staat zu integrieren.«
Deutsche Mutter
Herman Baltia wurde 1863 in Saint-Josse-ten-Noode als Sohn eines Generals luxemburgischer Herkunft und einer deutschen Mutter geboren. Wie sein Vater strebte er eine militärische Laufbahn an. 1907 wurde er zum Offizier des Kartografischen Instituts der Armee ernannt. Dort bereitete er eine Mission zur Grenzziehung im Süden von Belgisch-Kongo vor. Ein Jahr später wurde er zum Major befördert und erzielte im Ersten Weltkrieg militärische Erfolge in Frankreich und während der Flandernschlachten.
Nach weiteren Beförderungen erhielt Baltia 1919 den Barontitel und wurde am 22. Oktober 1919 zum hohen Kommissar und General-Gouverneur von Eupen-Malmedy ernannt. Zur Eingliederung der Ostkantone in das belgische Staatsgefüge wurde Baltia mit kolonialen Vollmachten, sprich legislativer und exekutiver Gewalt, ausgestattet. Der Gouverneur unterstand lediglich dem damaligen Premierminister, Léon Delacroix bzw. dessen Nachfolgern. Baltia bezog 1920 Residenz in Malmedy gemeinsam mit seiner Frau Gabrielle Charles, mit der er seit 1899 verheiratet war. Die Ehe blieb kinderlos.
Zu den Hauptaufgaben Baltias in Eupen-Malmedy gehörten die Angleichung an das belgische Justizsystem und die belgische Verwaltung der ehemals deutschen Gebiete, die im Zuge des Versailler Vertrages Belgien zugesprochen worden waren.
Faule Beamten
Ein rund 45-köpfiges Team aus Beamten und Sekretärinnen stand ihm hierbei zur Seite. Regelmäßig wurden Sprechstunden für die Bevölkerung in Eupen und St.Vith organisiert. »Baltia beklagt sich über das in seinen Augen faule Beamtentum«, erklärt Els Herrebout. »Er äußert sogar den Gedanken, er wolle die Beamten am liebsten nach Leistung bezahlen. Das war natürlich nicht möglich.« Bis 1923 musste Baltia ein Eingliederungsgesetz vorlegen, das aus den Ostkantonen einen integralen Teil Belgiens machen sollte. Geplant war, dass seine Regierungszeit in Malmedy in diesem Jahr endete. Doch erst 1925 wurde das Gesetz – in veränderter Form – vom belgischen Parlament verabschiedet. Kurze Zeit später ging Baltia, der nach eigener Aussage seine Amtszeit noch gerne um ein paar Jahre verlängert hätte, in den Ruhestand. »Über seinen Lebensabend ist nicht viel bekannt«, so Els Herrebout. 1938 brachte Baltia ein Buch über König Albert I. heraus, am 16. September 1938 verstarb er in Saint Gilles.
Von Cynthia Lemaire – Grenz-Echo 17.06.2011