Eine Betrachtung zu den Fernsprechverbindungen in St.Vith aus dem Jahre 1928
Von Kurt Fagnoul – Monatszeitschrift „Zwischen Venn und Schneifel“ 6/2000, Seite 118
Nachdem man die kleine Kurbel an dem an der Wand hängenden Telefon lange genug betätigt
hatte, erklang eine weibliche Stimme aus dem Hörer. Es war die Stimme des Fräuleins vom Amt. Sie stellte die Verbindung zum gewünschten Gesprächspartner her. Wenn man im Jahre 1928, also vor 70 Jahren, telefonieren musste, so war dies noch eine Handlung, die einer Attraktion gleichkam. Die Telefonapparate, eine Erfindung Bells aus dem Jahre 1876, waren noch nicht so luxuriös gestaltet wie heute. Man war damals noch nicht wählerisch. Das kam erst, als vor einigen Jahren fast jeder Haushalt ein Telefongerät besaß. Vor 70 Jahren war dem nicht so, es gab auch keine Konkurrenz zwischen der Telefon- und Telegraphenregie im Land, wie wir sie heute kennen. So hatte das Fernsprechamt St.Vith, um allen Anforderungen gerecht zu werden, in den Dörfern Aldringen, Atzerath, Braunlauf, Breitfeld, Crombach, Galhausen, Grüfflingen, Heuem, Hinderhausen, Hünningen b/St.Vith, Lornmersweiler, Maldingen, Neidingen, Neundorf, Nieder-Emmels, Rodt(2), Roedgen, St.Vith, Schlierbach, Setz, Wallerode, Weisten und Weppeler öffentliche Fernsprechstellen eingerichtet. J. Graf war damals Bürgermeister in St.Vith und hatte die Rufnummer 1. Rief man die Nr. 2 an so erreichte man denselben Herrn, diesmal jedoch in seiner Funktion als Arzt in der Prümer Straße. J. Pip war der Inhaber des Hotel International, das unter der Rufnummer 3 zu erreichen war. Insgesamt zählte das Fernsprechamt St.Vith 78 Abonnenten. Interessant ist ein Überblick über die Namensliste aus damaliger Zeit. Hier werden z.B. die Ärzte und die öffentlichen Einrichtungen nicht besonders herausgestellt. Alle Abonnenten werden in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt, und da St.Vith im Jahre 1928 bereits vom ,,Wirtschaftswunder“ erfasst war, muss man feststellen, dass trotzdem nicht jede Kneipe einen Fernsprechapparat sein eigen nennen konnte. Wollte man einen Bekannten an den Apparat bekommen, so musste man schon bei dessen Nachbar oder einer der öffentlichen Sprechstellen anrufen, die dann die gewünschte Person herbeiriefen, was mitunter eine Weile dauern konnte. Man telefonierte kaum nur zur Unterhaltung. Wenn schon, so handelte es sich um ein Gespräch, das wirklich nötig war. Die Gendarmerie von St.Vith verfügte natürlich ebenfalls über einen Anschluss, ebenso das Postamt St.Vith. Als einzige Bank ist die Banque de Bruxelles in dem Verzeichnis aufgeführt. Sie hatte die Rufnummer 35. Die Eisenbahnwerkstätte sowie die Güterabfertigung, wo heute das Heimatmuseum ,,Zwischen Venn und Schneifel“ untergebracht ist, hatte einen Telefonanschluss, ebenso das Forstamt in der Klosterstraße. Die Notare C. Delille in der Heckingstrasse 145 und H. Doutrelepont in der Prümer Str. sind ebenfalls in dem Abonnentenverzeichnis aufgeführt. Dass das Friedensgericht, das Steueramt oder gar das Einregistrierungs- und Domänenamt damals noch ohne Telefonanschluss waren, spricht für sich! Man sah keine Notwendigkeit, sich noch eine neue Belastung aufzuerlegen. Selbst die Feuerwehr und auch die St.Vither Zeitung hatte vor 70 Jahren keinen direkten Draht mit der Außenwelt. Das wäre in der heutigen Zeit unvorstellbar. Unser aktuelles Abonnentenverzeichnis umfasst 12 Seiten mit einigen hundert Namen. Ohne Telefonanschluss würden viele Senioren sich heute einsam vorkommen, selbst die Kinder telefonieren mit ihren Großeltern oder ihren Spielkameraden. Das Telefon gehört zum alltäglichen Leben und wäre nicht mehr wegzudenken. Dass die Zahl der Telefonbesitzer so steil angestiegen ist, bringt wohl auch einen Nachteil mit sich: Es wird weniger geschrieben. Die Verliebten sagen es sich ins Ohr, was sonst zu Papier gebracht wurde, zudem heißt es: ,,Wer schreibt, der bleibt!“ und an diesem alten Spruch haftet etwas Wahres dran. Wir freuen uns doch immer wieder, wenn wir einen Brief, der vor langer Zeit geschrieben wurde, nochmals nachlesen können. Aber leider muss meine Betrachtung mit den drei Worten enden: ,,Es war einmal!“
Der Verbindungsvorgang bei einer Handvermittlung. Aus: Der neue Brockhaus, Bd 32.Ausgabe, 1941, Seite 33