Verleihung des Heckingschildes 2008: Replik des Geehrten, Herrn Hans Josef Schad

Abgelegt in Heckingschild

Geschrieben am 12.11.2011

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Meine Damen und Herren!

Als erstes möchte ich von ganzem Herzen Dank sagen:
zunächst dem Geschichtsverein „ZVS“ und seinem Verwaltungsrat und Vorstand – Sie, meine Herren , haben beschlossen, mir die große Auszeichnung des Hecking-Schildes zu verleihen. Dies ist für mich ein ganz besondere Ehre. Ich finde es besonders passend, dass der Geschichtsverein diese Auszeichnung nach Dr. Anton Hecking benannt hat. Er ist 1807 in Schönberg geboren – gerade mal 6 Kilometer flussabwärtss von Auw –  er hat in Trier am berühmten Friedrich-Wilhelm-Gymnasium 1831 sein Abitur unter dem bekannten Direktor Dr. Wyttenbach abgelegt, hat danach Medizin studiert und sich als Arzt in St.Vith große Verdienste erworben.  Er hat aber auch tiefschürfend in der lokalen Geschichte geforscht und ein ersten Buch über St.Vith und ein zweites über die Herrschaft Schönberg geschrieben. Dieses Buch konnten wir schon in den ersten Jahren in Auw erwerben – allerdings nicht das Original; das war damals eine seltene Rarität. Wir haben den Nachdruck der St.Vither Zeitung in die Hände bekommen. Ein fleißiger Mensch hat alle 19 Folgen in den Jahren 1959 /1960 gesammelt, hat alle Druckfehler fein sauber korrigiert und dann das Ganze bei Erich Weishaupt in der Heckingstraße in St.Vither binden lassen. Schön, nicht wahr, wie alles zusammen passt!?

Dann bedanke ich mich bei Ihnen, lieber Herr Klauser, als dem Vorsitzenden für Ihre ganz besondere und sympathische Art, diese Auszeichnung zu überreichen. Sie haben als Präsident des Vereins auch die ganze Vorbereitung und Ausrichtung dieser Veranstaltung übernommen. Dafür gebührt Ihnen und Ihren Helfern ein weiteres herzliches Dankeschön!

Ich danke dann Ihnen, lieber Herr Jenniges, dem Ehrenpräsidenten, für Ihre ausführliche Laudatio. Lieber Herr Jenniges, Ihr Name ist mit dem Geschichtsverein „ZVS“ untrennbar verbunden .Wer „ZVS“ sagt, denkt auch gleich an Sie. Der Verein und die gesamte an Geschichte und Kultur interessierte Bevölkerung der Region kann sich glücklich schätzen, dass Sie sich so für Ihre Heimat engagiert haben und hoffentlich noch lange engagieren können. Dessen eingedenk ist es mir eine besondere Ehre, dass gerade Sie diese Laudatio gehalten haben!

Ich bedanke mich bei der Stadt St.Vith, die als Gastgeber diese Feier mit gestaltet.
Ich bedanke mich bei Ihnen, sehr geehrte Frau Baumannn , der Kulturschöffin der Stadt, auch
ganz besonders für Ihre Begrüßungsworte.
Ein weiterer Dank gilt Ihnen, Frau Ministerin Weykmans von der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens dafür, dass Sie diese Feier hier mit Ihrer Anwesenheit und durch Ihr Grußwort noch besonders aufwerten.
Ich bedanke mich ferner bei den hoch qualifizierten Musikern des Streichorchesters St.Vith. Sie geben dieser Feier einen überaus feierlichen Rahmen mit Ihrer Kunst. Herzlichen Dank!

Meine Damen und Herren,
Wenn ich in diese festliche Versammlung schaue, bin ich überwältigt davon, wie viele Freunde und Altbekannte hier versammelt sind, um bei dieser Feier dabei zu sein. Ich freue mich besonders viele Gesichter von jenseits des Jordans zu sehen – also von jenseits der Our – dieser Linie , die man schon gar nicht mehr gerne Grenze nennen möchte.
Ich danke Ihnen allen ganz, ganz herzlich für Ihr Erscheinen an diesem Samstagnachmittag!
Mein Dank gilt Ihnen Herr Bürgermeister Söhngen von Prüm. Ich freue mich, hier auch den Ortsbürgermeister von Auw, Josef Rodemers, mit seiner Frau zu sehen, ebenso seinen Amtsvorgänger Paul Fuchs.
Diese Drei, meine Damen und Herrn, haben unsere Volksschule in Auw besucht.- Ich hoffe, dass bei Euch die positiven Erinnerungen an diese Schulzeit die weniger schönen überwiegen!
Ich freue mich über die Anwesenheit einer Abordnung des Geschichtsvereins Prümer Land, angeführt von ihrem Vorsitzenden Volker Blindert. Bei Ihnen, meine Herrn , sind wir nicht nur von Anfang an dabei gewesen, sondern wir waren, das werden Sie wissen, schon im Team der Geburtshelfer des Vereins zusammen mit dem unvergessenen Werner Blindert aktiv.
Ebenso freue ich mich, dass auch ein Abordnung des befreundeten Geschichtsvereins von Monschau hier ist.
Ihnen allen ein herzliches Dankeschön!

Und nun, werte Festversammlung, möchte ich mich auch noch meiner Familie zuwenden. Sie wird hier am Schluss genannt – aber, wie Sie wissen, kommt am Schluss oft auch erst der Höhepunkt!
Zuerst einmal bedanke ich mich bei Euch allen, dass Ihr hier bei dieser Feier anwesend seid. Mein allerherzlichster Dank gilt Dir, liebe Gisela! Ohne Dich gäbe es diese Ehrung und diese Feier nicht! Denn Du hast mich zu einem Eifeler gemacht, ja tatsachlich. Ich komme gleich nochmals darauf zurück, wenn ich etwas näher ausführen kann, wie ein Fremdling von jenseits der Mosel und von hinter den sieben Bergen des Hunsrücks zu einem an Geschichte und Kultur interessierten Eifeler werden konnte. Wir hatten von Anfang an das gleiche Interesse an Geschichte und Kultur. Und wenn ich nach einigen Jahren dann anfangen konnte, Beiträge darüber zu veröffentlichen, so waren die alle zuvor zu Hause mehrfach hin und her besprochen worden, waren auch mal langer liegen geblieben, dass sie gut zur Reife gären konnten. Meine Frau hat also einen nicht unerheblichen Anteil an der Ehrung, die Sie mir heute überreicht haben.

Ich danke auch unseren Kindern Paul und Gisela, die mit ihren Partnern hier sind. Auch ihr habt einen Anteil daran, dass diese Ehrung zustande kam, denn ihr seid als Kinder immer schon geduldig brav mit marschiert, wenn wir wieder mal alten Grenzsteinen oder Grenzbäumen auf der Spur waren oder Scherben in ausgestorbenen Dörfern suchten und ihr habt geduldig ausgeharrt, wenn wir wieder einmal eine alte Dorfkirche oder Kapelle bis in den letzten Winkel ausgeforscht haben.
Ich freue mich auch, dass unsere beiden Enkel, Anna und Thomas, heute hier unter uns sind. Und ebenso danke ich meiner Schwägerin Helga Stendel mit ihrem Mann Bernd und der Tochter. Sie haben den weiten Weg von Klingenberg am Main eigens zu diesem Anlass nach St.Vith gemacht.
Nunmehr, meine Damen und Herrn, komme ich darauf zurück ,wie man als Eifeler Dorfschullehrer fast zwangsläufig Heimatkundler wird.

Als wir im Oktober 1959 als junges Paar an die zweiklassige Volksschule in Auw versetzt wurden, mussten wir uns möglichst schnell und gründlich einleben, denn wir hatten die Aufgabe den Kindern außer dem üblichen Unterrichtsstoff auch den heimatlichen Raum näher zu bringen. Und den mussten wir uns erst einmal selbst erarbeiten. Meine Frau war diesbezüglich im Vorteil, sie kannte sich doch schon gut in der Gegend aus, war sie doch in der Kinderzeit in Winterscheid mit Bleialf und Prüm und in den Jahren 1940-44 auch ein wenig mit St.Vith vertraut. Dann hatte sie inzwischen schon ein erstes Jahr als Lehrerin im Großkampenberg gewirkt. So hatten wir beide es relativ leicht uns einzuleben. Sie konnte vor allem immer gut mit den Leuten umgehen. Die Leute hatten schnell herausgefunden, dass sie in der Eifel geboren war und sie schlossen daraus, dass sie auch Platt kennen müsse: ,,Oh, Irr sed jo och ous der Eefel, da verstoot Irr jo och us Platt, jellt’Irr!
Wir bemühten uns so schnell wie möglich die Dörfer der Gegend kennen zu lernen und etwas über die Geschichte, die Sagen und Erzählungen zu erfahren, denn wir hatten ja auch Volksschüler bis zum Alter von 13/14 Jahren zu unterrichten und erfahrungsgemäß gab es vor allem unter den Jungen manchmal ganz schon schlitzohrige Typen, die sich einen Spaß daraus gemacht hatten uns hereinzulegen und mehr zu wissen als wir selber. Zum Glück hatten wir einen guten Helfer: in der Schule gab es mehrere Bände der Schulchronik, und die war von 1817 lückenlos geführt –  auch durch die NS-Zeit, über die Kriegsjahre und sogar in den Monaten der Ardennenoffensive. Wir erfuhren auch sehr vieles in Gesprächen: die Leute merkten sehr schnell, dass wir uns für Sagen, Geschichten und Überlieferungen interessierten. Und dann kam in fast jedem Gespräch zunächst einmal die Rede auf den ,,Auwer Här„, den schon legendären Pastor Wawer. Obwohl er damals schon über 40 Jahre tot war, war er fast noch allgegenwärtig. Viele ältere Leute zitierten seine Reime und Knüttelverse, erzählten „Stöckelcher“ von ihm oder brachten die Postkarten herbei, die er hatte drucken lassen und die es praktisch in jedem Haus gab. So ähnlich ging es mit den Sagen. „Hatt Dirr dann och alt jehuurt van der Kätt vu Schlousebich? – Nee?  O dah will ich Öch datt och ens verzelle!“ Und wenn jemand so richtig im Fahrwasser war, weil wir die Ohren spitzten, dann kam auch schon mal ganz geheimnisvoll im Flüsterton: „Un dah verzellt mer och noch janz komisch Jeschichte vun ejnem Auwer Här – ich weeß et nit! – denn soll op dem Scheederkupp verbraant sej jenn – op dat wohr sej kann – ich kann et nit jeloowe – awwer etj itt där mieh vun so ne Jeschichte…Henn soll Campenser odder su ähnlich gehejsche hann…“ Wenn man so mit Informationen eingedeckt wird, da soll man mal nicht zur Heimatforschung kommen? Wir wurden ja regelrecht drauf gestoßen.
Es geht noch weiter! Eines Tages fragte die Nachbarin: „Hatt Ihrr och at Radio Weckerath jehuurt? Nee?“ – ,,Wo ist denn in Weckerath ein Radio?“ – „Jo, eijentlich oss dat de belgische Rundfunk, Sendungen in deutscher Sprache – ich jlöv, den kütt va Brüssel oder su, mirr saon halt Radio Weckert, weil die Lück jenau uus Platt schwätze un weil sich alles vun su noh ahiirt. Dat muht Ihrr ens hüüre!“  Das taten wir dann auch regelmäßig. Und als später unser Paul ins Kindergartenalter kam, wurde regelmäßig die Kinderstunde mit Tante Mike gehört. Und Tante Mike war niemand anderes als Frau Jenniges.
Irgendwann brachte ein Kind ein ziemlich zerfleddertes Heft mit:  „Zwischen Venn und Schneifel“ – Das war’s, was uns fehlte. Wir machten uns schlau, wie man an das Heft kommen konnte und abonnierten es. Es gefiel uns so gut, dass wir bei der Redaktion nachfragten, ob man auch einen kleinen Beitrag einschicken könnte,und ob man den abdrucken würde. Selbstverständlich schrieb der Reaktionsausschuss zurück – aber bitte gleich ein Passbild beilegen, damit wir den neuen Mitarbeiter auch vorstellen können. So kommen wir also zum Geschichts- und Museumsverein „Zwischen Venn und Schneifel“.

Verehrte Zuhörer, zu diesem Vereinsnamen möchte ich noch einiges sagen. Ich habe ein wenig über diesen Namen philosophiert. Das möchte ich Ihnen vortragen. Wenn man dem Vereinsnamen zum ersten Mal begegnet – und den Untertitel „Geschichts- u. Museumsverein“ übersieht, könnte man meinen, es handle sich um einen Naturfreunde-Verein. So ganz daneben liegt man damit eigentlich nicht, denn der Verein befasst sich nicht nur mit Geschichte, Brauchtum und Kultur der Region, sondern er erfasst die Region ganzheitlich; in der Monatszeitschrift erscheinen daher auch immer wieder Beiträge zu geographischen oder naturkundlichen Themen. Der Vereinsname „ZVS“ soll das Gebiet umreißen, für das er sich engagiert und das er in mancherlei Beziehung betreuen möchte. Dabei werden schon mal keine aktuellen und auch keine historischen Grenzen angegeben, sondern zwei Landschaften sozusagen als Eckpunkte genannt. Landschaften sind in jeder Beziehung „neutral“; man kann sie eigentlich gar nicht politisch oder irgendwie ideologisch missbrauchen. Schon ein erster Vorteil ! Landschaften kann man auch nicht exakt eingrenzen, der eine fasst sie weiträumiger aus als der andere.
Ein weiterer Vorteil dieser Namenwahl: sie sind nach außen hin offen. Also gibt sich auch der Verein nach außen hin aufgeschlossen und offen für die Nachbarn. Außerdem liegen sowohl Venn als auch Schneifel jeweils in zwei Ländern. Das Venn liegt zum Großteil in Belgien, reicht aber auch im Raum Monschau, Roetgen, Aachen nach Deutschland hinein; die Schneifel liegt zum größten Teil auf deutschem Gebiet, aber auch belgische Gebiete an der oberen Our gehören zur Schneifel. Somit wird – ohne dass man es überhaupt erwähnt – ausgedrückt, dass der Geschichtsverein grenzüberschreitend wirken will. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Das ist doch überaus klug und geschickt, geradezu genial!
Doch das Beste an dem Vereinsnamen ist das Wörtchen ,,zwischen“. Es ist in vielerlei Beziehung genau passend.
Wenn etwas zwischen zwei, drei Dingen, Sachen … ist, dann ist es immer mittendrin, im Zentrum – und eben nicht daneben und abseits !
Sie denken sicher an das Sprichwort: „Man kann sich auch zwischen zwei oder alle Stühle setzen“. Auch das stimmt – und sagt aber auch wieder: der, der sich zwischen die Stühle setzt, sitzt aber jedenfalls mittendrin.
Möglicherweise haben die Gründer des Geschichtsvereins auch ein wenig daran gedacht – und auch gelegentlich erfahren müssen, dass man sich schon mal „dazwischen“ gesetzt hat. Dazwischen und zwischen, das heißt auch, dass man von mehreren Seiten Kenntnisse hat, mit Mehrerem etwas zu tun hat, dass man „sowohl – als auch“ ist. Eine solche „,Sowohl-als-auch-Gegend“ ist Übergangsland, Zwischenland, Brückenland…

Unsere Region und ihre Menschen waren und sind immer irgendwie dazwischen, also Übergangsland, Zwischenland gewesen und geblieben.
Das fängt schon mit der Landschaft an. Die Geographen haben zwar stets betont, dass die große Landschaft zwischen der Maas, dem Rhein und der Mosel eine Einheit bildet, den Eifel-Ardennen-Block, aber sie weisen auch nach, dass es durchaus Unterschiede zwischen Eifel und Ardennen gibt, die nichts mit der staatlichen Zugehörigkeit (hier Belgien, dort Deutschland) zu tun haben, sondern mit Geologie, Morphologie, der Landschaftsstruktur etwa mit Großräumigkeit / Kleinräumigkeit, mit den Dorfformen und Hausformen und ähnlichen mehr durch die Natur und Landschaftsstruktur vorgegebenen Dingen. Und die Experten sagen auch, dass es einen Übergangsstreifen zwischen Eifel und Ardennen gibt, der meist schmal ist – der aber genau hier bei uns am breitesten ist. Wir sind also wieder mal „dazwischen“. So ist es auch ein wenig passend. dass z.B. in Manderfeld das eine Gasthaus „Eifeler Hof“ und das andere „Hotel des Ardennes“ heißt.
Erst recht war unsere Region im Laufe der Geschichte fast immer Land „dazwischen“.

Wir werden jetzt nicht alle Epochen der Geschichte durchgehen und die Rolle unserer Region
beleuchten. Ein Experte konnte darüber vielleicht unter dem Titel: „Wir waren immer dazwischen“ ein solch dickes Buch schreiben. Wir wollen es bei einer kurzen Übersicht belassen.
Weder die Eifel noch die Ardennen haben in ihrem Innenraum jemals ein größeres städtisches Macht – und Kulturzentrum hervorbringen können. Solche Zentren lagen und liegen noch immer außen um Eifel und Ardennen herum an den Flüssen. Am Rhein ist es Köln, an der Maas ist es Lüttich – davor waren es Maastricht und Tongeren und nicht weit weg von der Maas Aachen – und an der Mosel ist es Trier.
Diese Zentren regierten in vielfältiger Weise in das „Land dazwischen“ hinein. Dabei deckten sich vor allem im Mittelalter Machtzentrum, Wirtschaftszentrum und kirchlich-kultureller Mittelpunkt durchaus nicht. Die Menschen mussten sich nach verschiedenen Richtungen orientieren. Im Raum Manderfeld – Auw z.B. war man kirchlich-kulturell von Köln bestimmt, aber politisch – in Anführungszeichen! – von Trier, wirtschaftlich vom luxemburgischen St.Vith. Wir sehen: die Menschen waren in ein kompliziertes Beziehungssystem zwischen mehrere Zentren eingespannt. Und diese Zentren wechselten oft genug, es kamen neue hinzu, alte wurden verdrängt. Hinzu kamen weit entfernt liegende wie Wien, das über Luxemburg entscheidend in unsere Region hinein wirkte, in den Raum St.Vith, Büllingen, Bütgenbach. Und dann war es Paris in der Franzosenzeit. Dabei sind manche der alten Zentren unter veränderten Vorzeichen erhalten blieben, so Trier, Lüttich und Luxemburg. Anschließend kam Preußen, und Berlin wurde ein neues Zentrum, nach dem man sich zu orientieren hatte. Wieder wurden alte Zentren reaktiviert: Köln, Trier und Aachen; neu hinzu kam Koblenz. Letztendlich kamen für diese Region auch noch Brüssel dazu und auch noch einmal Lüttich. Die Menschen wurden zwischen allen diesen Zentren also ständig hin und her gezerrt. Sie mussten sich ständig neu umorientieren .Das alles geht natürlich nicht so schnell. Somit bleiben alte Orientierungen auch noch weiter bestehen und machen alles noch komplizierter. Und es ist eigenartig, dass gerade die alten Bezugslinien, die es längst gar nicht mehr geben sollt , am längsten nachwirken: Man denke nur an die Prägung des Dialekts durch die kulturelle Orientierung der Gegend nach Köln oder daran, dass die Menschen in Manderfeld und Schönberg immer noch „Treesche“, also Trierische sind, obwohl diese Bindung schon 160 Jahre vorbei ist.

Ich habe mir manchmal gedacht, wie soll man das alles übersehen, wenn man sich etwas näher mit der Heimatgeschichte befasst. Man brauchte ein Anschauungs- und Erklärungsmodell. Ich glaube eines gefunden zu haben, in einem völlig anderen Bereich, nämlich in der Physik.
Sie erinnern sich wohl alle daran, als in der Schule das Magnetfeld erklärt wurde. Da streute der Lehrer auf einen weißen Karton schön gleichmäßig feine Eisenfeilspäne. Dann brachte er unter dem Karton zwei Magnete an – und schon richteten sich die Eisenspäne oben nach diesen Polen aus und bildeten ein schönes, fast ornamentales Kraftfeld. Unser Lehrer war besonders experimentierfreudig: er nahm Elektromagnete, deren Stärken er regulierte – das war ein wunderschönes Spektakel, wie sich die kleinen Eisenteilchen immer neu umorientieren mussten .Dann machte er die Sache noch extra kompliziert und brachte einen dritten Magneten an – wieder wurde das Feld umgebaut. Ich finde, dieses Magnetfeld ist ein gutes Modell, es veranschaulicht und erklärt in etwa, wie es mit den Orientierungen der Menschen zwischen so verschiedenen Polen und Zentren war und ist. Die kleinen Eisenspäne sind wir Menschen, die Pole sind die Zentren; sie sind mal stärker, mal intensiver und die Menschen dazwischen – unsere Vorfahren wie auch wir selber – wir orientieren uns gezwungenermaßen, aber auch freiwillig, nach den verschiedenen Zentren und Polen um, denn wir sind immer dazwischen.
Man könnte unser Erklärungsmodell Magnetfeld noch weiter ausbauen, wenn man zwischen die großen Pole mittenrein drei kleinere, schwächere Pole einfügen würde – die würden dann unsere alten historischen Kulturzentren symbolisieren: Stavelot-Malmedy, Prüm und Echternach. Dann wäre unser Magnetfeld unter Garantie ebenso verwirrend unübersichtlich wie es in der Tat die Geschichte unserer Region ist.

Liebe Zuhörer, ich bin am Schluss meiner Ausführungen angekommen .
Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich bei allen bedanken, bei dem Geschichtsverein, bei Ihnen Herr Klauser, bei Ihnen Herr Jenniges, bei der Vertretung der Stadt und bei den Musikern, die diese Feier so großartig umrahmt haben!
Dem Geschichtsverein „ZVS“ möchte ich zum Schluss einen Wunsch ins Stammbuch geschrieben haben: Seien Sie stolz auf diesen treffenden Namen und behalten Sie ihn bei.

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