Von Mönchen, Gerbern und einem Poeten
Die weit ins frühe Mittelalter zurückreichende Geschichte Stavelots, insbesondere, die um 650 gegründete Benediktiner-Abtei, hat, wie die Schwester-Abtei Malmedy, eine weite Ausstrahlung ins St.Vither und Büllinger Land gekannt. Die Abtei Stavelot wurde um das Jahr 648 (wenige Jahre nach der Abtei Malmedy) durch den aus Aquitanien stammenden Mönch Remaklus im Auftrag des Merowingerkönigs Sigibert III. gegründet. Eine erste Kirche wurde um 685 erbaut, die durch die Normanneneinfälle 882 zerstört wurde. Ein zweiter Kirchenbau wurde um 950 unter Abt Odilon erstellt. Eine romanischen Pilgerkirche von rund 100 m Länge entstand unter Abt Poppon, dem Vorgänger des bekannten Abtes Wibald, der neben seinen geistlichen Ämtern in Stavelot, Monte Cassino und Corvey auch als Berater des Kaisers gefragt war. In der Zeit des Abtes Wibald (um 1130) fallen die Ersterwähnungen mancher Orte unserer Gegend (St.Vith, Bütgenbach, ). Im 16. Jh. wurde eine gotische Kirche auf den alten Fundamenten der alten Kirche neu errichtet. Nach der Vertreibung der Mönche durch die Franzosen (1795) wurde der mächtige Kirchenbau als „Steingrube“ missbraucht. Lediglich der Westturm blieb von diesen Zerstörungen weitgehend verschont. Die heutigen Klostergebäude: wurden in der Mitte des 18. Jh. unter Fürstabt Joseph de Nollet gebaut. Die
Gebäude hinter dem Torbogen sind jedoch älteren Datums (ehemalige Wohnung des Abtes sowie Wirtschaftsgebäude). Seit 1958 steht die gesamte Anlage unter Denkmalschutz. Von 1998 bis 2002 fand eine umfassende Restaurierung des gesamten Komplexes statt; derzeit sind hier zwei Museen (Abtei und Rennstrecke) sowie ein Dokumentationszentrum (Guillaume Appolinaire) untergebracht. Die Ausgrabungen vor dem Abteigebäude wurden seit 1977 intensiv betrieben; 2006 fanden die vorläufig letzten Grabungen statt.
Über die Amelbrücke konnte der Flussseit jeher überquert werden. Die heutige Brücke wurde nach der Ardennenoffensive errichtet. Am 18. Dezember 1944 zerstörten amerikanishe Einheiten die Brücke und verzögerten damit ein weiteres Vordringen deutscher Truppen nach Westen. Die erste Brücke aus Stein wurde 1576 erbaut und ersetzte die Vorgängerkonstruktion aus Holz. Unweit der Brücke befindet sich ein bemerkenswerter Fachwerkbau, in dem sich eine Gerberei befand. Die Bruderschaft der „Blanc Moussis“ hat das Bauwerk mustergültig restaurieren lassen. Gerbereibetriebe werden erstmals i.J. 1565 in Stavelot erwähnt. Diese Industrie kannte im 18. und 19. Jh eine wahre Blüte; ihren Höhepunkt verzeichnete sie zur Franzosenzeit, aber im 19. Jh. waren immerhin noch 26 Betriebe in der Stadt tätig, unter ihnen die drei alten Klostermühlen, die nach der Klosterauflösung als Lohmühlen dienten und heute ein kleines Wasserkraftwerk beherbergen.
Fast alle Gebäude der Innenstadt wurden nach 1689 errichtet (nach der Zerstörung der Stadt durch Truppen Ludwigs XIV.). Als typische Bauart finden sich Fachwerk, Schieferbekleidung und Holzverbretterung. Um den Marktplatz, heute auch Remaklusplatz genannt, ließen sich seit dem 15 Jh. Handwerker und Kaufleute, vornehmlich Gerber, nieder. Die Ausdehnung des Platzes lässt erahnen, welche Bedeutung das frühere Marktgeschehen in der Stadt einst spielte. Seit 1040 besitzt Stavelot das Marktrecht; große Pilgerscharen gaben dem geschäftlichen Treiben Auftrieb. Der Brunnen mit der Freiheitssäule (perron) versinnbildlicht die von den Fürstäbten gewährten städtischen Freiheiten; Fürstabt Jacques de Hubin ließ den Brunnen 1768 errichten. Heute ist der Platz Schauplatz der Feierlichkeiten anlässlich der Umzüge der „Blancs Moussis“ (Laetaere).
Die Pfarrkirche St. Sebastianus wurde um 1750 gebaut. Der Außenbau sowie die Inneneinrichtung sind einheitlich im barocken Stil gehalten. Ein Prunkstück maasländischer Goldschmiedekunst, der 2 m lange und fast 1 m hohe Remaklusschrein (13. Jh.), befindet sich im Chor. Aber auch die Schatzkammer hält manche Kostbarkeit für interessierte Besucher bereit, wie z.B. das vergoldete Brustbild des hl. Poppon (17.Jh.).
Auf unserem Weg durch die rue Neuve kommen wir am Hotel „Au mal aimé“ (ehemals Pension Constant) vorbei. Es hat seine Ausstattung des 19. Jh. behalten und ist gänzlich dem Andenken des Dichters Guillaume Apollinaire gewidmet, der 1898 einige Monate seiner Jugend hier verbrachte. Der Lyriker gilt als einer der bedeutendsten französischen Autoren der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Ebenfalls aus dem 19. Jh. stammt die öffentliche Waschstelle („Bacs Auguste“), die trotz aller Primitiviät zur Zeit ihrer Erbauung eine fortschrittliche Einrichtung waren. Der Nicolay-Brunnen (Fontaine Nicolay) am Ende der rue Neuve, neben der Rochuskirche gelegen, wurde der Stadt 1840 durch den Gerber Ferdinand Nicolay geschenkt. Als Wasserspeier fungieren Wolfsköpfe; der Wolf ist das Staveloter Wappentier.
(K. Heinrichs und K.D. KLAUSER, nach Beiträgen der ZVS-Monatshefte und anderer Quellen)