ZVS-Wanderung durch Büllingen

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Geschrieben am 01.10.2011

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Vom oranischen Gericht, einer gotischen Kirche und der Kriegsfurie

Anlass der Wanderung ist das 1120. Jahr der Ausstellung einer Bestätigungsurkunde König Arnulfs von Kärnten a.d.J. 888, in der er dem Aachener Marienstift den Neunten des Büllinger Königshofes bestätigte.

Zum ersten Mal wird ein „Bollingen“ in einem nicht genau datierbaren Aktenstück der Jahre 789/790 genannt, das eine Schenkung der Abtei Echternach darstellt. Die germanische Nachsilbe –ingen oder keltische –acum bedeuten beide die Zugehörigkeit zu einer Person. In der Zeit der ersten Siedlungs­periode (450 – 600) der fränkischen Landnahme fällt auch die Namensgebung Büllingens.

Im Zuge der Erschließung des Landes legten die fränkischen Könige (Merowinger, Karolinger) Wirtschaftshöfe, sog. „Königshöfe“ an. In der Urkunde von 888 werden im Eifel-Ardennen-Raum 43 königseigene Höfe genannt. Diese Höfe waren siedlungsgeschichtlich von Bedeutung: sie waren erste Siedlungspunkte, administrative Zentren, spätere Fiskaleinheiten, Gerichtsbezirke und kirchliche Mittel­punkte, die „Urpfarren“.

Büllingen liegt an der ehemaligen römischen Heeresstraße Reims-Köln. Diese überquerte bei Büllingen die Warche und war bei Morsheck noch als Wallrest (1873) erhalten. Wacht- und Aussichtstürme säumten diese Straße und es liegt nahe, die Fundamente des Kirchturms hiermit in Verbindung zu bringen.

Als Büllingen erstmals urkundlich erwähnt wurde, bestand sicherlich schon eine Kapelle. Von der 1130 in einem Dokument der Abtei Stavelot-Malmedy (Ersterwähnung der Pfarre Büllingen) bezeichneten Kirche ist heute noch der massive Kirchturm und das romanische Taufbecken erhalten. Die gotische Kirche (Schiff und Chor) wurde zwischen 1513 und 1520 unter Wilhelm von Manderscheid (Abt von Stavelot) erbaut. 1687 wird die Kirche nach mehrfacher vorheriger Profanierung neu geweiht. 1772 wird der hl. Eligius Hauptpatron der Kirche (bisher: Peter und Paul). 1830 erfolgt nach Blitzeinschlag der Bau einer neuen Turmhaube, 1867 und 1895 größere Restaurierungsarbeiten am Turm, 1901/02 Instandsetzungs­arbeiten am Schiff und Neubau der Eingangshalle. Brand der Kirche während der Ardennenoffensive (27.12.1944). 1950-1956 Wiederaufbau, indem quer zum Schiff ein neugotischer Anbau errichtet wurde. Architektur: Dort wo wir im Schiff heute Arkaden sehen, befanden sich früher die Außenmauern mit je 3 Fenstern. Das Netzgewölbe mit seinen vielen verzierten Schlusssteinen ist typisch für die Spätgotik. Auffallend ist die Säule in der Mitte des Schiffes: der damals neue Typus der „Einstützenkirche“ wurde hier angewandt. Wichtige Elemente der Ausstattung sind das romanische Taufbecken (wahrscheinlich 12. Jh.), das spätgotische Chorkreuz (16. Jh.) sowie im Außenbereich Sandsteinskulpturen der Heiligen Michael (16 Jh.) und Antonius von Padua (16./17. Jh.), beide Ausdruck ländlicher Volkskunst.

Die Ortschaft unterstand 3 Grundherren: 1. der Herr zu Bütgenbach-St. Vith, ab 1416 kontinuierlich in den Händen der Prinzen von Oranien-Nassau, Inhaber der Herrschaft St.Vith mit eigener Gerichtsbarkeit in Büllingen, das „Oranische Gericht“; 2. die Kurfürsten von Trier, ebenfalls mit eigenem Gericht („Trierschulzen“) und Bannmühle („Hünninger Mühle“) für den südöstlichen Teil des Dorfes; 3. die Herren von Jünkerath-Schleiden mit Gerechtsamen in Mürringen und dem Osten Büllingens. Die Wappen der 3 Herren bilden das heutige Gemeindewappen.

Der Schulzenhof war eine geschlossene Anlage des 17. Jh. in fränkischer Bauform, traditionell Haus Nr. 1. Er wurde 1927 neu gebaut und ist bis heute weiterhin stark verändert worden.

An wichtigen Verbindungswegen gelegen wurde die Ortschaft oftmals durch Kriege heimgesucht. Das 17. Jh. war zunächst durch die Folgen der Religionskriege gekennzeichnet, gegen Ende des Jh. durch die Brandschatzungen französischer Truppen. Schwer getroffen wurde die Ortschaft durch die Ardennen­offensive: 90 Prozent des Viehbestandes und 80 Prozent der Häuser waren bei Kriegsende zerstört.

Die Errichtung der 7 Fußfälle geht auf die 1687 beurkundete Bruderschaft der sieben Schmerzen Marias zurück. Eines dieser Flurdenkmäler trägt die Jahreszahl 1722. Die Gründung dieser Bruderschaft geht auf die Kriegswirren des 17. Jh. zurück. Sie erlebte ihre Blütezeit im 18. Jh. Ursprünglich standen die Fußfälle zwischen Büllingen und Mürringen, danach zwischen Büllingen und Wirtzfeld. Die 4 übrig gebliebenen Denkmäler sind heute gefährdet.

Eine Eisenbahnverbindung zwischen Weywertz und Jünkerath (45 km) wurde bereits seit 1890 angestrebt, im Jahre 1908 in Angriff genommen und 1912 der Bahnhof in Büllingen seiner Bestimmung übergeben. Diese Bahnlinie entsprach militärischen Überlegungen, förderte aber auch nachhaltig die wirtschaftliche Entwicklung (Vieh- und Holztransporte, Molkereiprodukte, 24.385 verkaufte Fahrkarten i. J. 1913). Heute ist nur mehr die Trasse der Eisenbahnlinie erhalten. Eine touristische Neuorientierung als Fahrradwanderweg wird ins Auge gefasst. (Norbert Mertes)

(K.D. KLAUSER, nach Beiträgen der ZVS-Monatshefte und anderer Quellen)

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