ZVS-Wanderung durch und um St.Vith

Abgelegt in Allgemein

Geschrieben am 24.09.2011

Vom einem Marktflecken, von der Eisenbahn und von der Zerstörung im 2. Weltkrieg

Die Entstehung St.Viths ist wohl im hohen Mittelalter anzusetzen (um 900). Eine urkundliche Erwähnung um 1150 beschreibt die Stadt in derselben Größe und Bedeutung, wie sie aus der Neuzeit bekannt ist: St.Vitus-Kirche, Zollstätte und Marktort weisen die Stadt als wirtschaftliches Zentrum aus. Die Befestigung der Stadt (Wälle, Gräben, Stadttore) fand erst 200 Jahre später unter dem Limburger Grafen Johann von Valkenburg statt. Die Ersterwähnung einer Kirche in St.Vith findet sich indes schon 1131 in einer Urkunde des Abtes Wibald von Stavelot-Malmedy. Damals schon war die Kirche dem heiligen Vitus geweiht. Nach dem Bau der Stadtmauer kam zu dieser Kapelle eine Burg, die sich unterhalb der Kirche befand. Diese beherbergte bis 1352 die Herren von Limburg-Valkenburg (auf die das Stadtwappen zurückgeht) sowie die Nachkommen aus dem Geschlecht derer von Nassau-Dillenburg (1416-1795) als Vertreter der Viandener bzw. Luxemburger Grafen, die die Herrschaft bis zum Einmarsch der französischen Revolutionstruppen (1795) besaßen. Innerhalb der heutigen Stadt (etwa im Bereich Haupt- Malmedyer, Aachener und Rodter Straße) kreuzten sich im Mittelalter zwei große Handelswege: der alte Römerweg von Reims nach Köln und eine Querverbindung zwischen den Abteistädte Prüm und Malmedy. Diese Kreuzung als natürlicher Begegnungspunkt für Kaufleute entwickelte sich von einem Umschlagplatz für die Produkte der Gegend zu einem regelrechten Marktort mit einer Zollstätte (Ersterwähnung 1151). Die Verehrung des hl. Vitus, die durch Abt Wibalds begünstigt worden sein dürfte, bescherte der Kirche Pilger und den Kaufleuten Kunden. St.Vith als Marktort nutzte seine günstige Lage zwischen dem trierisch-lothringischen Raum und dem Gebiet des Niederrheins und der unteren Maas. Seinen Marktcharakter hat die Stadt bis heute behalten, wenngleich diese überregionale Bedeutung längst nicht mehr besteht.
Neben dem Marktort war und ist St.Vith nach wie vor Verkehrsknotenpunkt, heute mit zwei Autobahnanschlüssen, bis vor dem 2. Weltkrieg mit bedeutender Eisenbahninfrastruktur. Am 4. November 1889 wurde die Eisenbahnverbindung von St.Vith nach Ulflingen eröffnet; zwei Jahre zuvor war die Vennbahnstrecke von Weismes nach St.Vith eröffnet worden. Hier entstanden Lokomotivwerkstätten, Ateliers, Bahnwohnungen und Verwaltungsgebäude. über 1000 Personen fanden hier Arbeit. Von St.Vith aus führten Gleise nordwärts nach Born (ab 1917 mit Abzweigung nach Vielsalm) Weismes (Malmedy) und südwärts nach Prüm, Ulflingen und seit 1917 nach Gouvy. Die Vennbahn diente hauptsächlich der Beförderung von Koks aus dem Ruhrgebiet und dem Aachener Becken nach Süden zu den luxemburgischen und lothringischen Erzbecken und zum Transport des Eisenerzes in umgekehrte Richtung. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. wurden hier etwa 80 Güterzüge und 30 Personenzüge täglich abgefertigt.. Nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges sank die Bedeutung des Bahnhofs, an dessen Stelle heute ein neu zu erschließenden Gelände auf seine Bestimmung wartet.
Nach der katastrophalen Zerstörung der Stadt durch alliierte Bomberverbände an den beiden Weihnachtstagen des Jahres 1944 erholte sich das Leben nur langsam. Der Wiederaufbau nahm rund 15-20 Jahre in Anspruch, nachdem die Überlebenden in der Neustadt eine vorübergehende Bleibe gefunden hatten. Als eines der letzten Gebäude wurde die heutige, im neoromanischen Stil erbaute Kirche 1959 wieder eingeweiht. Seither hat sich im geschäftigen und geschäftlichen St.Vith Einiges verändert.
Mit dem Wegfall der Eisenbahn und der großen Bahnhofsinfrastruktur fehlte der Stadt ein wichtiger Wirtschaftszweig. Genau wie der materielle Wiederaufbau wurde auch der ökonomische Wiederaufbau in Angriff genommen und neben den vielen Einzelhandelsgeschäften und mittelständischen Betrieben, die für die Lehrlinsgausbildung unverzichtbar sind, entstanden zu Beginn der 1950er Jahre drei Sekundarschulen, die heute täglich von 2.500 Schülern des näheren und ferneren Umlandes besucht werden. Als weiterer Erwerbszweig etablierte sich das Dienstleistungs- und Verwaltungsgewerbe in der Stadt und zählt heute mit zu den wichtigsten Arbeitgebern. Das Krankenhaus, dessen Ursprünge in die 80er Jahre des 19. Jh. reichen, und das staatliche Verwaltungszentrum mit seinen vielen Dienststellen bieten heute rund 500 Personen Arbeit. Die „kleine Stadt vor der großen Katastrophe“ hatte sicher ihren Charme, wie es die Bilder des „Historischen Rundgangs“ belegen; doch auch die Stadt von heute hat Einwohnern und Gästen nach den abgeschlossenen Infrastrukturarbeiten sicherlich manche Trümpfe zu bieten.

(K.D. KLAUSER, nach Beiträgen der ZVS-Monatshefte und anderer Quellen)

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