Kultur und Industrie am Ufer der Warche
Die weit ins frühe Mittelalter zurückreichende Geschichte Malmedys, insbesondere, die um 650 gegründete Benediktiner-Abtei, hat eine weite Ausstrahlung ins St.Vither und Büllinger Land gekannt. In sprachlicher, religiöser und sozialer Hinsicht hat der Einfluss der Stadt an der Warche sich über die Jahrhunderte im Eifelgebiet bemerkbar gemacht, wie es z.B. die zahlreichen
mittelalterlichen kirchlichen Bindungen, die in preußischer Zeit ausgeprägte Sonderstellung als Kreisstadt oder die heutigen geschäftlichen, medizinischen oder verwandschaftlichen Kontakte zur Warchestadt belegen. Die Malmedyer Lebensart, eine Mischung aus wallonischem „savoir vivre“, handwerklichem Können und preußischem Fleiß zeigt sich heute noch in vielfältiger Form: in den alten Traditionen, in den Bauwerken und nicht zuletzt in dem sprichwörtlichen Charme der Malmedyer Einwohner.
Die vielfältige und bewegte Geschichte der Warchestadt wird anhand einiger Bauwerke deutlich, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen und die jährlich unzählige Besucher aus nah und fern anlocken. Die Kathedrale (1): die den hl. Petrus, Paulus und Quirinus geweihte Rennaissance-Kirche wurde zwischen 1776 und 1784 nach Plänen des Lütticher Architekten C.A.Galhausen erbaut. In der Kathedrale befindet sich der Reliquienschrein des hl. Quirinus. Nach der Annektierung der Stadt durch die Französische Republik 1795 wurde das Gotteshaus als Stall und Vorratskammer genutzt. In den Jahren 1921 bis 1925 war Malmedy Sitz der Diözese Eupen-Malmedy und das Gotteshaus wurde zur Kathedrale erhoben. Die Abtei (2): Um 650 gründete der Mönch Remaclus das Benediktinerkloster Stavelot-Malmedy. Das Kloster von Malmedy wurde als erstes erbaut. und befand sich dort, wo es heute noch steht. Der jetzige Bau entstand im 18. Jh., nachdem das Anwesen bei der Zerstörung der Stadt 1689 völlig abbrannte. Heute sind hier die kulturellen und administrativen Dienste der Stadt untergebracht, nachdem die Gebäude vorher als Schule gedient hatten.
Das Rathaus (3): Das Gebäude wurde vom Malmedyer Industriellen Jules Steinbach im Jahre 1900 erbaut, und zwar auf dem Gelände, das sein Onkel Henri Steinbach in der Franzosenzeit aus dem aufgelösten Besitz der Möche erworben hatte. Nach dem Tod von J.Steinbach (1904) gelangte das Gebäude durch Schenkung in den Besitz der Stadt Malmedy, die hier seither ihr prunkvolles Rathaus hat. Die Villen Lang und Steisel (4): Die dem Rathaus gegenüber liegenden Villen, die heute Gericht und Polizei beherbergen, wurden auch von Mitgliedern der Steinbach-Familie erbaut: Jules Steinbach ließ die Villa Lang für seine Tochter Juliette erbauen, die den Lederfabrikanten Hubert Lang heiratete; Louis Steisel, Ehemann der Laure Steinbach und Gründer der Papierfabrik am Pont-de-Warche ließ die „Fliedervilla“ um 1900 erbauen. Von 1956 bis 1976 war hier die Gemeindeverwaltung von Bévercé untergebracht. Gretedar-Halle (5): Dieses Gebäude aus dem Jahre 1727, das als zunächst als Gerichtsgebäude und bis 1818 als Bürgermeisteramt diente, war ursprünglich eins der 8 Zugangstore zur Stadt, die seit 1601 mit einer Befestigungsmauer umgeben war. Heute hat der Malmedyer Geschichtsverein „Malmedy-Folklore“ hier sein Domizil.
Auferstehungskapelle (6): Diese in der Mitte des 18. Jh. im klassizistischen Stil erbaute Kapelle wurde von Jean-Ignace Roderique, einem ehemaligen Jesuiten und Historiker, gestiftet. Im Innern des 2004 renovierten Gotteshauses befinden sich die Grabstätten des Stifters und seiner Familie. Landratsamt (7): Das zwischen 1912 und 1914 im neoklassizistischen Stil erbaute Gebäude sollte den Sitz und die Verwaltung des preußischen Landrates aufnehmen. 1920 wurde es indes Sitz der Regierung von General Baltia. Die Elektrizitätsgesellschaft SERMA kaufte das Anwesen 1951, das heute Finanzdienste von Malmedy und Stavelot beherbergt.
Kapuzinerkirche (8): Die Kapuziner, die seit 1617 in Malmedy waren, gründeten 1623 ihr Kloster, an dem die Kirche angebaut wurde. 1902 wurde das Kloster zerstört. In der Kirche sind wertvolle Gemälde und Skulpturen holländischer und wallonischer Meister des 17. und 18. Jahrhunderts erhalten. Obelisk (9): Der vorletzte Fürstabt von Stavelot-Malmedy, Jacques de Hubin, ließ den Obelisken 1781 erbauen und dort sein Wappen anbringen. Die Franzosen, die 1794 einrückten, entfernten das Wappen. Zur preußischen Zeit ließ Bgm. Delvaux hier den preußischen Adler anbringen, der seinerseits 1920 von den
neuen belgischen Herren entfernt wurde.
Maison Villers (10): Dieses imposante Patrizierhaus des Jahres 1724 ist ein Werk des Aachener Architekten Laurenz Mefferdatis. Seinen Namen verdankt es den vorletzten Besitzern, dem Ehepaar Villers-Mostert. Das heute im Besitz der Stadt Malmedy befindliche Gebäude überstand die Bombadierungen von Weihnachten 1944 wie durch ein Wunder.
Outrelepont-Brücke (11): Die Brücke aus dem Jahre 1765 wurde an Stelle eines schadhaften Vorgängerbaus des 17. Jh. errichtet. Doch schon im 13. Jh. hat es hier offenbar eine Holzbrücke gegeben. Eine Figur des hl. Johannes Nepomuk ziert das Bauwerk.
(K.D. KLAUSER, nach Beiträgen der ZVS-Monatshefte und anderer Quellen)