Von der Vennbahn, Goldgräbern und dem kleinsten Friedhof des Gebietes
Nach 5jähriger Bauzeit wurde am 22.11.1887 das dritte und letzte Teilstück der Vennbahn von Weismes nach St.Vith eröffnet und ein Jahr später, am 1.10.1888, konnte die Vennbahn durchgehend von Aachen bis Bleialf und weiter bis Prüm und Trier befahren werden. Für St.Vith und die umliegenden Dörfer begann mit der Anbindung an die Eisenbahn ein goldenes Zeitalter. St.Vith wurde zum Eisenbahnknotenpunkt ausgebaut und bot, in der Blütezeit des Bahnverkehrs Arbeit für über 1.200 Personen. Die einst stolze Vennbahnverbindung wurde ab 1909 sogar doppelgleisig befahren. Von St.Vith aus führte das Gleis in nördliche Richtung nach Born (ab 1917 Abzweigung nach Recht und Vielsalm), nach Weismes (ab 1914 Abzweigung nach Malmedy und Stavelot), nach Weywertz (Abzweigung nach Jünkerath), Sourbrodt, Kalterherberg, Lammersdorf bis Aachen. In südliche Richtung gelangte man nach Wiesenbach (ab 1918 Abzweigung nach Gouvy), Lommersweiler (ab 1889 Abzweigung nach Reuland und Ulflingen), Bleialf, Pronsfeld, Prüm und Gerolstein. In dieser Zeit passierten täglich 30 Personenzüge und 80 Güterzüge den St.Vither Bahnhof. Die Güterzüge transportierten Kohle aus dem Aachener Becken ins luxemburgische Eisenerzgebiet und beförderten Eisenerze aus der Minette ins Aachener und ins rheinische Industriegebiet.
In der Zwischenkriegszeit beeinträchtigte die veränderte Zollsituation den Güterverkehr, so dass die Transporte zwischen Luxemburg und Deutschland mehr und mehr auf die Moselstrecke verlegt wurden. In den 1930er Jahren wurde die doppelgleisige Strecke zur eingleisigen Linie zurückgebaut. Einen kurzen Auftrieb erhielt die Bahnlinie nach der Annexion unseres Landstriches durch das 3. Reich ab 1940. Personen- und Güterverkehre kannten einen u.a. auch propagandistisch begründeten Aufschwung, doch im 2. Weltkrieg wurde die Eisenbahninfrastruktur in und um St.Vith arg in Mitleidenschaft gezogen. Schon am 9. August 1944 wurde der St.Vither Bahnhof (wie die Kirche) bombardiert. Im Verlauf der Ardennenoffensive wurden auch andere Infrastrukturanlagen zerstört und nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut. Die Eisenbahn verlor mit zunehmender Konkurrenz durch LKWs ihre Bedeutung: in den 1950er Jahren wurde der Personenverkehr eingestellt und immer mehr Strecken wurden in den 1960er Jahren abgebaut. Der letzte Personenzug zwischen St.Vith und Weismes war eine touristische Fahrt, die im August 1980 stattfand; der letzte Güterzug verließ den St.Vither Bahnhof im September 1982.
Entlang der Amel (zwischen Deidenberg und Montenau oder im Bereich des Klosterhofes) finden sich eigentümliche Hügelgebilde, die von Gelehrten des 19. Jhd. zunächst für Grabhügel gehalten wurde. Der aus dem Siegkreis stammende Bergbaufachmann Juluis Jung hat diese Hügel ab 1878 näher untersucht und stellte fest, dass es sich hier um Abraumhügel handelte, die auf Goldwäscherei schließen ließ. Diese hat denn wahrscheinlich schon zur Kelten- und zur Römerzeit hier stattgefunden. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts entstand aufgrund der Berichte von J. Jung ein regelrechtes Goldfieber im Tal des Rechter Baches und der Amel, da man effektiv eine, wenn auch insgesamt geringe, so dennoch bisweilen beachtliche Menge des Edelmetalls fand. Der Sohn Jungs, Friederich setzte die Arbeit seines Vaters nach dessen Tod 1910 fort, fand jedoch kein materiellen Schatz sondern sein privates Glück: er heiratete die Tochter des Gastwirtes, bei dem er wohnte.
Der Weiler Stefanshof im Rohrbusch ist die jüngste Siedlung unseres Gebiets, die pfarrechtlich zu Ondenval/Weismes und zivilrechtlich zur Gemeinde Amel gehört. Die Ländereien, auf denen die Gehöfte später erbaut wurden, wurden um 1820 von Leonard Dethier aus Ondenval erworben. Dethier war ein wohlhabender Gastwirt und Geschäftsmann. Sein Sohn Nicolas, der mit Anna Maria Grosjean verheiratet war, übernahm den Besitz nach dem Tod des Vaters. Dessen Tochter Marie-Thérèse heiratete den aus Steinbach stammenden Henri Etienne Mathonet (*1849), der seinerseits die Gastwirtschaft sowie die Ländereien im Rohrbusch nach dem Tod des Schwiegervaters erbte. Das Ehepaar Mathonet-Grosjean hatte neun Kinder. Ein Sohn, Etienne, zog in die Einsamkeit des Rohrbuschs und baute sich hier eine Bretterbude und hielt 300 Schafe, die er mit einem Teilhaber, Gilbert Klein aus Ondenval, angeschafft hatte. Für seine Arbeit erhielt er die Hälfte der Wolle und den Schafdung, der ihm bei der Urbarmachung des Geländes sehr gelegen kam. Bereits i.J. 1910 starb der Namensgeber der neuen Siedlung, denn er hatte sich offenbar bei seiner Arbeit nicht geschont. Mehrere Personen der Familie Mathonet sind im Laufe der ersten zwanzig Jahre des 20. Jh. von Ondenval nach Stefanshof verzogen. Bei der Heirat der Hortense Mathonet mit Leopold Joseph Crasson setzten die Neuvermählten ein Kreuz an der Wegegabelung nach Ondenval. Die Kinder der Siedlung Stefanshof besuchten die Volksschule Faymonville. Während der Ardennen-Offensive hielt eine deutsche Einheit die Höhe 533 bis in den Januar 1945 besetzt und sicherte daher den Rückzug der Wehrmacht aus dem Ameltal. Seit dieser Zeit stammt auch der kleinste Friedhof unseres Gebietes, auf dem einige Bewohner ihre letzte Ruhe fanden. Der Weiler ist seit den 1950er Jahren an das Stromnetz und seit den 1970er Jahren ans öffentliche Wassernetz angeschlossen.
(K.D. KLAUSER, nach Beiträgen der ZVS-Monatshefte und anderer Quellen)