Vom Torfstechen, der Köhlerei und einem Russenlager
Unsere naturkundlich-geschichtliche Wanderung beginnen wir beim Gefangenenkreuz an der Rur. Dieses Kreuz erinnert an das deutsche Gefangenenlager, das für russische Kriegsgefangene angelegt worden war. Der Vervierser Geistliche Henri Lejeune ließ das Kreuz 1963 aufrichten. Im strengen Winter 1942-43 kam es durch übermäßigen Schneefall und Sturm zu einem außergewöhnlichen Schneebruch in den Holzbeständen. Bedingt durch die Kriegsverhältnisse mangelte es an Arbeitskräften, so dass sich reichsdeutsche Forstverwaltung zum Einsatz russischer Kriegsgefangenen entschloss. Im Mai 1942 wurde das Lager errichtet und schon im Juli zogen die ersten Gefangen ein. Diese waren allerdings z.T. in erbärmlichem Zustand (abgehungert, zu schwach) und mussten erst einmal gesundgepflegt werden. Die Büllinger Molkerei lieferte täglich 20 L Buttermilch ins Lager und die Metzgerei Rauw aus Sourbrodt stellte fünfmal wöchentlich Wurstbrühe zur Verfügung. Die Landwirte erhielten Brennholz gegen Abgabe von Kartoffeln. Die Arbeitskraft der Russen verbesserte sich und so wurden sie neben den Forstarbeiten auch als Helfer in den landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt. Im September 1944 wurde das Lager geräumt und die russischen Gefangen wurden nach Deutschland abtransportiert.
Für den Forst Küchelscheid tritt mit der Preußenzeit (1815) erstmals die Benennung „Rurbusch“ (auch „Rohrbusch“) auf, doch muss bemerkt werden, dass es sich hier nur um den derzeitigen Buchenwald zwischen Rur und Schwarzbach handelt, also nur einen Teil des ursprünglichen Forstes des Hofes Bütgenbach. Aus Kontenbüchern des Hofes Bütgenbach geht hervor, dass der gesamte Forst Küchelscheid i.J. 1619 lediglich aus Buchen bestand. Schon seit dem 12. Jahrhundert wurden große Flächen des von den Römern „Foresta Imperiale“ genannten Urwaldes von professionell arbeitenden Köhlern zu Holzkohle (Energiequelle der Eisen- und Messingindustrie) verarbeitet. Diesem radikalen Kahlhieb konnte der natürliche Aufbau nicht standhalten, so dass die großen Buchenwälder fast vollständig verschwunden waren. Im Jahre 1738 wurde durch herzogliche Verfügung dieser Abbau eingeschränkt. Der letzte Meiler erlosch erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts und somit verließen die letzten verrußten Köhler für immer die domaniale Hochwaldung. Heute sind bei scharfer Beobachtung die ehemaligen Schwelstellen der Meiler noch andeutungsweise zu erkennen.
Aber auch andere Eingriffe des Menschen setzten dem Waldbestand zu: Waldweide und -mast, Schneitel- und Schiffelwirtschaft verursachten eine Umgestaltung des ursprünglichen Waldgebietes. Die Schneitelwirtschaft, das Schneiden von Nadel- und Laubzweigen und das Abstreifen des Laubs für den Wintervorrat, lieferte eine Ergänzung zu Heu und Stroh. Bei der Schiffelwirtschaft wurden Heideflächen gemäht, das Mähgut getrocknet und dann zusammen mit Ginsterreisig und Sträuchern verbrannt. Die anfallende Asche wurde als Dünger auf dem Land verteilt und danach mit Roggen eingesät. Die Erträge waren bei der ersten Ernte relativ hoch, ließen jedoch in den Folgejahren rasch nach.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Kahlflächen systematisch befichtet, was zu einer drastischen Veränderung des Landschaftsbildes führte. Der preußische Regierungsrat Otto Beck hatte den Kultivierungsplan ausgearbeitet. In seinem Bericht würdigte er auch die Torflager, die in den Mulden bis zu 18 Fuß (5,60 m) mächtig waren. Der Torf hatte damals eine große wirtschaftliche Bedeutung, nicht zuletzt durch den starken Verbrauch der Fabriken und der Malmedyer Lohgerbereien. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als ein Bewohner aus Longfaye die Gewinnung des Torfs zu Heizzwecken im Kempenland kennenlernte, war der Torf bis in die 1960er Jahre für die Vennbewohner ein gutes und billiges Heizmittel. Gegen Entrichtung einer geringen Gebühr erhielt jeder Haushalt von der Gemeinde ein Torflos. Die Länge der Torfstiche entsprach der Zahl der Familienmitglieder. Das Torfstechen begann im Mai mit dem Abschälen der Gras- und Pflanzenwurzeln. Diese Schicht wurde in rechteckigen Teilen sauber entfernt und zu einem Damm aufgeschichtet. Danach wurde die Torfmauer der Länge nach ca. 30 cm tief eingeschnitten und anschließend durch waagerechte Schnitte eine Reihe von Briketts wie Ziegelsteine gelöst und auf den Dann geworfen. Diese wurden von Karrenfahrerinnen weiter rückwärts zum Trocknen gebracht und zu kegelförmigen Haufen von etwa 50 Briketts aufgeschichtet. Bei viel Sonne und Wind dauerte der Trockenvorgang nur einen Monat. Im August konnte das Material dann meist mit Ochsenkarren heimgefahren werden. Ein Wintervorrat bestand aus 20 und mehr Karren (15.-20.000 Briketts). Insgesamt wurden 20 ha Moorfläche in den Öfen der Vennhäuser verbrannt. Die Folgen des Torfstechens sind unumkehrbar, da sich Torf nicht wieder aufbaut.
(K.D. KLAUSER, nach Beiträgen der ZVS-Monatshefte und anderer Quellen)