Von einem Grenzfluss, der Eisenbahn und einem weltbekannten Schriftsteller
Er war in Maspelt gewesen und hatte sich von der Nähe der Our verleiten lassen, den Grenzfluß in Augenschein zu nehmen. Dieses Zitat aus Alfred Anderschs Roman Winterspelt ist als Einladung zu verstehen, auf den Spuren der Romanhelden Major Dincklage und Captain Kimbrough zu wandeln, die durch Vermittlung des Kunsthistorikers Dr. Schefold das mörderische Kriegsgeschehen an der Ourfront beenden wollten. Wir begeben uns also heute auf eine literarisch-geschichtskundliche Wanderung, wobei wir einigen Schauplätzen des Romans Winterspelt begegnen werden. Der Roman spielt im Herbst 1944 in der westlichen Eifel. US-Streitkräfte waren bis an die Our vorgedrungen. Jenseits der Our, in Winterspelt, Elcherath und Wallmerath liegt ein deutsches Batallion. Der befehlshabende deutsche Offizier, Major Dinklage, plant, seine Truppe kampflos den Amerikanern zu übergeben um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Mit Hilfe des Kunsthistorikers Dr. Schefold und der beiden Einheimischen, Steinbruchbesitzer Hainstock und Käthe Lenk, nimmt er Kontakt zu seinem amerikanischen Gegenüber, Captain Kimbrough, auf. Aufbauend auf militär-historischen Hintergründen und unter Wahrung der räumlichen Gegebenheiten propagiert der Roman die Botschaft, dass die Freiheit dort beginnt, wo Verantwortlichkeit wahrgenommen wird. Winterspelt, 1974 erschienen, war Anderschs letzter großer Roman. 1978 wurde der Roman an den Originalschauplätzen (z.B. Maspelt) verfilmt.
Der Ort Maspelt wird urkundlich erstmals i.J. 1495 erwähnt; er erscheint hier in den Feuerstättenverzeichnissen des Hofes Thommen. Der Ortsname mit der Endung -pelt (wie Winterspelt ) deutet laut Quirin Esser auf das Lateinische pratum (= Feld, Wiese) hin. Diese Siedlungen seien außerhalb bestehender Orte (im Feld) entstanden. Dem Herrn von Reuland stand der Hardtzehnt des Dorfes zu, d.h. die Erträge aus den später gerodeten Grundstücken. Eine erste Kapelle wurde 1736 erbaut, sie gehörte zur Pfarre Thommen. Auf Wunsch der Einwohner wurde der Ort ab 1803 bei Reuland eingepfarrt. Die jetzige Kirche stammt aus dem Jahre 1930; sie ist dem hl. Hilarius geweiht. Im Dorfbereich, der von der Hasselbach bis zum Thommener Berg reicht, finden sich über 10 Wegekreuze, die z.T. noch sehr gut erhalten sind.
Als „Auiel“ erscheint Auel im Feuerstättenverzeichnis des Hofes Thommen vom Jahre 1552, wo sieben Haushalte bestanden. Wie in Maspelt besaß der Herr von Reuland auch hier den Hardtzehnt.
Die Ortschaft befand sich früher auf der rechten Seite der Our. (Die Our bildete die Grenze des Hofes Thommen. Durch die ständigen Überschwemmungen bauten die Menschen ihre Häuser dann auf dem höher gelegenen linken Ufer.
Hemmeres, das kleine Dorf der Gemeinde Winterspelt, hat das typische Schicksal einer Grenzortschaft erfahren. Im Jahre 1889 erhielt das Dorf erste Berührungen mit der „großen weiten Welt“, denn die Eisenbahn von St.Vith nach Ulflingen führte mitten durch den Ort. Die Strecke wurde vorwiegend für den Güterverkehr genutzt: Kohle aus dem Aachener Revier rollte zu den Hochöfen im Süden Luxemburgs und nach Lothringen; in umgekehrter Richtung wurde Eisenerz ins Kohlerevier Aachens und der Ruhr transportiert. Nach dem 1. Weltkrieg verlief erstmals eine Staatsgrenze durch den Ort: die Our bildete die Grenze und die Eisenbahn, die Belgien zuerkannt wurde, teilte den Ort in zwei. Einige Felder lagen nun in belgischem Gebiet und die Einwohner mussten einige Kontrollen über sich ergehen lassen, um ihre Ernte einzufahren. Im September 1944 sprengte deutsches Militär die Brücke über die Our. Die Eisenbahnverbindung von St.Vith nach Ulflingen wurde danach nie mehr befahren. Im April 1949 kam Hemmeres im Zuge der Grenzberichtigungen zu Belgien. Der belgische Pass der Einwohner trug dennoch den Vermerk „Ausländer“. Wirtschaftlich orientierte man sich ganz nach Belgien, die Kinder gingen nach Auel zur Schule und kirchlich orientierte man sich ebenfalls nach Auel, was nur halb soweit entfernt ist wie der Pfarrort Elcherath. Im September 1956 wurde Hemmeres dann weltbekannt: Bundeskanzler Adenauer verhandelte damals in Brüssel über die Rückgliederung der deutschen Grenzdörfer. Aus Hemmeres erhielt er ein Telegramm, in dem die Einwohner die Beibehaltung der derzeitigen Situation (Zugehörigkeit zu Belgien) forderten. Die Sache hat einigen Wirbel auf höchster politischer Ebene verursacht – für Hemmeres hat es sich gelohnt: Straßenneubau, Wasseranschluss, Schul- und Kirchenrenovierung in Elcherath sowie Grenzerleichterungen waren die Folge. Seit 1958 ist der Ort wieder Teil der Bundesrepublik. Als markante Gebäude gelten die Kapelle aus dem Jahre 1629, das Breitgiebelhaus (Stockhaus Probst) und die Mühle, die seit der „belgischen Zeit“ nicht mehr in Betrieb ist.
(K.D. KLAUSER, nach Beiträgen der ZVS-Monatshefte und anderer Quellen)